Dieser und die in den nächsten Tagen folgenden Artikel zielen darauf ab, ohne viel Vorwissen einen effizienten Workflow für das korrekte Belichten eines Bildes aufzubauen. Es werden keine physikalischen und optischen Gesetze erklärt, denn damit ließen sich bereits einige Bücher guter Autoren füllen. Diese Grundlagen sind natürlich für das Verstehen sehr wichtig, was wiederum für das Entwickeln eigener Strategien nötig ist. An dieser Stelle sei also auf entsprechende Grundlagenbücher der Fotografie verwiesen („Fotografieren“ von John Hedgecoe ist bspw. sehr empfehlenswert). Für die Praxis reichen aber ein paar vereinfachte Grundlagen, um gute Belichtungen zu erzielen. Der Ausschuss wird mit der Zeit und Erfahrung immer weniger werden, auch wenn es eigentlich in Zeiten von Instant-Preview und großen Speicherkarten egal sein könnte. Es lassen sich aber einige unnötige Test-Schüsse zum „Raten der Belichtung“ einsparen und generell fühlt es sich einfach professioneller an, die Kamera gezielt einzustellen, statt brutal durch die Gegend zu schießen… Immerhin erlaubt ein geschultes Wissen Fotos on-the-fly zu machen.
Die Belichtung
Um ein Foto korrekt zu belichten, gilt es 3 Parameter in Einklang zu bringen. Blende, Verschlusszeit und ISO-Empfindlichkeit.
Als Anschauungsbeispiel für die wichtigen ersten beiden Parameter wird hierfür gerne folgendes gewählt: Man stelle sich das Befüllen eines Glases mit Wasser aus einem Wasserhahn vor. Korrekt befüllt wäre dieses Glas zu einem bestimmten Füllstand und als Pendant zu Blende und Verschlusszeit gelten hierfür die Weite der Öffnung des Wasserhahns (Blende) und die Zeit, in der der Wasserhahn geöffnet bleibt (Verschlusszeit). Die ISO-Empfindlichkeit lässt sich nicht richtig in dieses Konzept einbringen, wird aber problemlos an späterer Stelle separat erläutert werden. Es ist leicht verständlich, dass nur gewisse Kombinationen aus Öffnungsweite und Öffnungszeit des Wasserhahns zur korrekten Befüllung des Glases führen. Ebenso verhält es sich mit der korrekten Belichtung eines Fotos. Ist der Wasserhahn nur gering geöffnet, muss dieser länger geöffnet bleiben, um das Glas mit Wasser zu füllen und vice versa.
Die Blende reguliert also den Umfang an Licht, der durch das Objektiv auf den Sensor trifft und die Verschlusszeit regelt, wie lange die Blende geöffnet bleibt. Große Blendenöffnungen haben geringe Blendenwerte (bspw. f/3.5), geringe Blendenöffnungen hingegen große Werte (bspw. f/16). Die Verschlusszeit wird in Sekunden bzw. Sekundenbruchteilen angegeben. Oftmals wird der Zusammenhang zwischen Blendenwert und Verschlusszeit anhand von Formeln näher erläutert, doch in der Zeit der digitalen Kameras wird dieses Wissen eher aufhalten. Einfacher ist es vom sog. EV-Wert für Exposure-Value oder zu deutsch „Lichtwert“ zu sprechen, wenngleich das Wissen um den mathematischen Zusammenhang von Blende und Verschlusszeit aufschlussreich sein kann. Der EV-Wert repräsentiert die Kombination aus Blende und Verschlusszeit und gibt die daraus resultierende Belichtung an. Es genügt zu wissen, dass die von der Kamera gemessene Belichtung in EV-Schritten korrigiert werden kann. Die meisten Kameras erlauben Belichtungskorrekturen in 1/3- oder auch 1/2-Schritten. Auch die Einstellung der Blenden- und Zeitwerte passiert in diesen 1/3- oder 1/2-Schritten.
Beispiel: Die Canon EOS 400D arbeitet in der Werkseinstellung mit 1/3-Schritten. Verändert man den Blendenwert 3 mal, hat man die Belichtung um 1 EV verschoben. Ebenso verhält es sich mit der Verschlusszeit! Wie man sieht, ist es nicht wichtig zu wissen, wo groß ein Blendenschritt ist oder in welchen Zeit-Intervallen die Verschlusszeit eingestellt werden kann. Alle Parameter lassen sich in Bruchstücken der Einheit EV einstellen und das ist das einzig Wichtige.
Ein weiteres Beispiel zur Erläuterung: Um nach einer Veränderung der Blende um 1 EV-Wert (also 3 Schritte an der 400D) die Belichtung wieder zurück zu korrigieren, müsste die Verschlusszeit um genau 1 EV-Wert (ebenfalls 3 Schritte an der 400D) in die andere Richtung verstellt werden.
Bei der ISO-Empfindlichkeit handelt es sich um einen zusätzlichen Faktor, der die Belichtung beeinflusst. Bei analogen Kameras hat der ISO-Wert die Empfindlichkeit des Films auf Licht angegeben. Filme mit höherem ISO-Wert reagierten demnach empfindlicher auf Licht. An dieser Stelle wird sicher deutlich, dass sich dieser Parameter nicht mit dem obigen Beispiel vereinen lässt. Den Wechsel zur digitalen Kamera hat dieser Wert aber dennoch überlebt und seine Bedeutung weicht kaum von der ursprünglichen ab. Bei digitalen Kameras, die mit einem digitalen Sensor statt eines Films ausgestattet sind, gibt der ISO-Wert die Signalverstärkung des Sensors an. Hohe ISO-Werte bedeuten eine hohe Verstärkung des Sensorsignals, während geringe ISO-Werte das Signal kaum oder gar nicht verstärken. In der analogen und der digitalen Kamerawelt führen hohe ISO-Werte zum eher ungewünschten Rauschen, bei Analogfilmen sprach man hierbei auch vom Korn (der Körnung) des Films, das sichtbar wurde (siehe Abbildung 1). ISO-Werte sind meist in Abstufungen von 100, 200, 400, 800, 1600, 3200 usw usf angegeben.
Eine Verdopplung des ISO-Werts resultiert in einer Belichtungssteigerung von 1 EV (eine Halbierung in einer Belichtungsminderung um 1 EV). Um die Belichtung also wieder beizubehalten, kann als Ausgleich entweder die Blende oder die Verschlusszeit um 1 EV verringert (vergrößert) werden. Es ist natürlich auch möglich, eine beliebige Kombination aus Blenden- und Zeitveränderung, die ebenfalls 1 EV-Wert beträgt, als Ausgleich zu nutzen.
Abbildung 1: deutlich sichtbares Rauschen (Körnung) bei ISO 1600
Letztendlich noch eine recht simple Formel, die das Verhältnis der 3 wichtigen Parameter anschaulich verdeutlicht.
Belichtung = Blende + Verschlusszeit + ISO
Belichtung = (Blende + 1 EV) + (Verschlusszeit – 1 EV) + ISO
Belichtung = (Blende + 1/3 EV) + (Verschlusszeit + 2/3 EV) + (ISO – 1 EV)
Da jeder Parameter in der gleichen Einheit verändert wird, ist es möglich, dies mit einem oder mehreren anderen Parametern in die andere Richtung wieder auszugleichen, um die Belichtung (also die Summe der Parameter) gleich zu halten.
Im nächsten Artikel werden die einzelnen Aufnahmemodi wie Programmautomatik, Blendenpriorität und Zeitpriorität erläutert.